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Channel: angemessene Vergütung – iRights – Kreativität und Urheberrecht in der digitalen Welt
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Freie Autoren und Verlage: „Das Verhältnis ist schwer gestört“

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Verlagen ist das Recht der Autoren auf angemessene Vergütung herzlich egal, kritisiert der freie Journalist Benno Stieber. Im Interview fordert der Vorsitzende des Berufsverbandes Freischreiber das Urhebervertragsrecht zu reformieren und warnt vor einem Brain-Drain im Journalismus.

Zur Person

Benno Stieber, Wirtschaftsjournalist in Karlsruhe, ist Vorsitzender von Freischreiber, dem Berufsverband freier Journalisten.

iRights.info: Die Linke-Bundestagsfraktion will die Position der Urheber gegenüber Verwertern wie Verlagen und Musik-Labels stärken. Gesetzesänderungen sollen sicherstellen, dass in der Kreativbranche gemeinsame Regeln für eine angemessene Vergütung der Urheber gefunden und auch durchgesetzt werden. Wie bewerten Sie den Vorstoß für eine Reform des Urhebervertragsrechts?

Benno Stieber: Der Entwurf trifft die wesentlichen Punkte, die zu Gunsten der Urheber geändert werden müssten. Wir begrüßen deshalb den Entwurf und die Debatte, die er hoffentlich entfacht. Wir haben heute die Situation, dass Verlage den Urhebern mit Knebelverträgen immer mehr Nutzungsrechte an ihren Werken abnehmen. Und nur in wenigen Bereichen hat man sich auf gemeinsame Vergütungsregeln geeinigt.

Die beschlossenen Vergütungsregeln für freie Autoren an Tageszeitungen haben wir abgelehnt, weil die angesetzen Honorare viel zu niedrig sind, und die Regelungen in dieser Form die Probleme der freien Autoren, von ihrer Arbeit zu leben, manifestieren. Aber selbst diese enorm niedrigen Vergütungen zahlen viele Verlage nicht, obwohl ihre Verbände diesen nach sechsjährigen Verhandlungen zugestimmt haben.

Wir sehen also: den Verlagen ist das bereits gesetzlich festgeschriebene Recht der Autoren auf angemessene Vergütung und ihr Auskommen herzlich egal. Freie Autoren, die auf eine Einhaltung pochen, bekommen Briefe, in denen es heißt ‚Wir verzichten künftig auf ihre Mitarbeit‘. Dagegen lässt sich juristisch auch wenig machen, weil wir freie Autoren sind. Deshalb ist eine Verschärfung des Gesetzes zwingend erforderlich.

Kein Verlag unterschreibt Code of Fairness

iRights.info: Auf Seiten der Verlage sieht man das ganz anders. Peter Klotzki, Sprecher des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), erklärte zum Gesetzentwurf: „In der ‘Lebenswirklichkeit’ agieren Verleger und Journalisten positiv zusammen, die meisten Journalisten schätzen die Plattform der Medienmarken, auf denen ihre Inhalte präsentiert werden.“ Besteht wirklich Handlungsbedarf?

Benno Stieber: Diese Äußerung ist, nun ja, wie soll ich sagen, putzig. Das Verhältnis zwischen Urhebern und Verwertern, im unseren Fall zwischen freien Autoren und Verlagen, ist seit Jahren schwer gestört. Die partnerschaftliche Koexistenz haben die Verlage vor langer Zeit mit Buy-Out-Verträgen und schlechten Honoraren aufgekündigt.

iRights.info: Alle Verlage?

Benno Stieber: Natürlich nicht alle. Aber ein Beispiel: Wir haben einen Code of Fairness ausgearbeitet und darin Regeln der guten Zusammenarbeit zwischen freien Autoren und Verlagen definiert. Hier geht es nicht um die Bezahlung, sondern um die Abläufe, etwa innerhalb welcher Fristen Rechnungen zu bezahlen sind. Wer den Code liest, denkt, es handele sich doch um Selbstverständlichkeiten. Dennoch haben wir bisher keinen einzigen Verlag gefunden, der diesen Code of Fairness komplett unterschreiben würde.

Vergütung mit Verbandsklagen durchsetzen

iRights.info: Warum lassen sich freie Autoren auf eine geringe Bezahlung, unvorteilhafte Vertragskonditionen und eine schlechte Behandlung durch ihre Auftraggeber ein?

Benno Stieber: Das Eine ist natürlich der Konkurrenzdruck. Es gibt sehr viele freie Autoren. Aber das andere ist natürlich die Schieflage in der Verhandlungsmacht. Freie Autoren haben letztlich kaum Druckmittel, um ihre Rechte durchzusetzen. Hier lässt sich nach unserer Erfahrung nur gesetzlich Abhilfe schaffen. Deshalb begrüßen wir auch den Vorschlag der Linke-Fraktion, die Möglichkeit einer Verbandsklage einzuführen, um die Vergütungsregeln durchzusetzen. Ein Verband muss für die Einhaltung der gesetzlichen Ansprüche klagen dürfen, weil der einzelne Autor das eher nicht tun wird, um seine Auftraggeber nicht zu vergraulen.

iRights.info: In anderen Wirtschaftsbereichen wie der Metallindustrie wäre es nicht denkbar, dass große Unternehmen vereinbarte Tarife einfach nicht bezahlen…

Benno Stieber: Freie Autoren sind eben Freiberufler, also selbst Unternehmer, wenn man so will. Damit befinden wir uns in einer freieren, aber auch schwächeren Position. Da die Belange freier Journalisten selten im öffentlichen Fokus stehen, erregt die eigentlich empörende Tatsache kaum Aufsehen, dass Vereinbarungen, die Tarifbestimmungen nahe kommen, nicht eingehalten werden. Die Zeitungen selbst haben ja das geringste Interesse, darüber zu berichten.

„Die Verleger würden alles in die Waagschale werfen“

iRights.info: Würden Sie sagen, die großen Gewerkschaften, Verdi und Deutscher Journalisten-Verband (DJV), agieren zu schwach in den Verhandlungen?

Benno Stieber: Nein, das würde ich nicht behaupten. Ein Problem ist allerdings, dass Verdi und der Deutsche Journalisten-Verband ihr Augenmerk lange eher auf die Festangestellten gerichtet haben. Im Zweifel können sie eine Lohnsteigerung um 0,5 Prozent für Festangestellte besser verkaufen als einen fairen Rahmenertrag mit einem Verlag. Und für einen Arbeitskampf wären freie Autoren sicherlich schwieriger zu mobilisieren und zu organisieren. Ein Streik freier Autoren würde auch wenig bringen, da vor allem in lokalen Redaktionen dann eben Studenten oder Rentner eingesetzt würden, und zumal es keine Streikkasse gibt. Aber das sind die Kategorien, in denen Gewerkschaften denken. Es braucht aber andere Mittel, um die Interessen von Freiberuflern durchzusetzen.

Deshalb gibt es unseren Berufsverband Freischreiber. Bislang begleiten wir die Verhandlungen kritisch. Würde man uns, wie die Linke das vorschlägt, an den Verhandlungstisch lassen, würden wir dort die Interessen der freien Autoren vertreten.

iRights.info: Die Verlagswirtschaft lief schon 2002 Sturm, als die Position der Urheber gestärkt werden sollte. Sind Verschärfungen realistisch?

Benno Stieber: Die Verleger würden sicher alles in die Waagschale werfen, um zu verhindern, dass das Urhebervertragsrecht wieder aufgeschnürt wird. Und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat angekündigt, dass es keine großen Urheberrechtsreformen mehr in dieser Legislaturperiode gibt, höchstens kleine Schritte. Das heißt, mit einer Reform ist – wenn überhaupt – erst in der kommenden Legislaturperiode zu rechnen. Aber es könnte im Wahlkampf eine Rolle spielen. Wir haben ja gesehen: das Urheberrecht kann die Menschen mobilisieren, sogar auf die Straße treiben, was wir uns früher überhaupt nicht vorstellen konnten.

„Die Verlage stehen im Medienwandel selbst unter Druck“

iRights.info: Hoffen Sie, dass andere Fraktionen auf den Zug aufspringen?

Benno Stieber: Diese Initiative wäre natürlich chancenreicher, wenn sie nicht von der Linken sondern von den großen Fraktionen kommen würde. Wir fordern aber alle Fraktionen im Bundestag auf, den Vorschlag der Linken zu debattieren und am Ende zu einer Reform des Urhebervertragsrechts im Sinne der Urheber, vor allem auch der freiberuflichen, zu kommen.

iRights.info: Inzwischen fordert auch der Deutsche Kulturrat, das Urhebervertragsrecht zu überprüfen. Ist diese Forderung hilfreich?

Benno Stieber: Naja, man müsste sich vorher darauf einigen, was evaluiert werden soll. Was die Auswirkungen auf die Urheber angeht, können wir sicher weiterhelfen.

iRights.info: In der Urheberrechtsdebatte treten Kreative und Verwerter oft gemeinsam auf, etwa wenn es um den Kampf gegen die Kostenloskultur geht. Glauben Sie, dass die Öffentlichkeit versteht, dass die Interessen von Urhebern und Verlagen nicht unbedingt dieselben sind?

Benno Stieber: Der normale Zeitungsleser macht sich darüber wohl keine Gedanken. Allerdings kann man versuchen, der breiten Öffentlichkeit bewusst zu machen, dass es einen Qualitätsverlust bedeutet, wenn Freie nicht angemessen bezahlt werden. Man kann nur hoffen, dass sich die Leser von Verlagen, die glauben, man könne Journalismus ohne Journalisten machen, mit Grauen abwenden.

iRights.info: VDZ-Sprecher Klotzki kritisiert: „Der Entwurf der Linkspartei will die Beteiligten gegeneinander ausspielen.“ Sitzen Urheber und Verlage nicht eigentlich im selben Boot und sollten in ökonomisch schwierigen Zeiten lieber zusammenhalten?

Benno Stieber: Die Verlage stehen im Medienwandel natürlich selbst unter Druck. Aber ich kann nicht erkennen, wo die Verwerter die Urheber schützen würden. Im Gegenteil, sie versuchen in den Geschäftsbedingungen mit ihren Autoren, an jeder Stelle die größtmöglichen Spielräume zu ihren Gunsten herauszuholen. Die Verlage müssen jetzt signalisieren, an welchen Stellen sie eigentlich auf die Urheber zugehen wollen. Stattdessen nutzen gerade große Verlagskonzerne ihre stärkere Position kühl kalkulierend aus.

„Die reinen Karrieristen sind längst woanders“

iRights.info: Von Verlagsseite kommt das Argument: Man kann nur den Bären verteilen, den man erlegt hat. Wenn die Werbeeinnahmen und Verkaufserlöse nicht da sind, kann man die Urheber eben auch nicht besser bezahlen. Ist das nicht nachvollziehbar?

Benno Stieber: Wenn wir uns die Zahlen ansehen, etwa die Rekordergebnisse von Axel Springer in den letzten Quartalen oder die guten Aussichten, die der Zeitschriftenverlegerverband gerade für das nächste Jahr prognostiziert hat, dann ist das nicht nachvollziehbar. Auch die Wochenzeitung „Zeit“ steigert zum Beispiel permanent die Auflage und – wie ich doch hoffe – auch die Einnahmen. Die Zeit ist aber bekannt dafür, dass sie besonders schlecht bezahlt. Wenn selbst die erfolgreichen Verlage die Urheber kaum beteiligen, zeigt das, welchen Stellenwert freie Autoren eigentlich haben.

iRights.info: Trotzdem, manche Verlage lavieren sich gerade so durch. Wenn sie die Honorare erhöhen, könnten sie weniger Aufträge vergeben. Wäre das ein Weg?

Benno Stieber: Weniger aber dafür besser bezahlte Aufträge wären nicht unbedingt schlecht. Dann bliebe den Urhebern zum Beispiel mehr Zeit, eigene Projekte voranzutreiben. Letztlich muss es darum gehen, dass ein Tagessatz vernünftig ist.

iRights.info: Von welchen Größenordnungen sprechen wir, wenn es um einen „angemessenen“ Tagessatz geht?

Benno Stieber: Wir müssten das Gehalt eines festangestellten Redakteurs zugrunde legen und die Betriebskosten und Altesvorsorge dazu addieren – und das dann durch die Tage teilen, die man im Monat arbeiten kann. Wenn man das vergleicht mit dem was im Moment gezahlt wird, sind das natürlich utopische Zahlen.

Grundsätzlich geht es darum, dass freie Journalisten nicht die Leiharbeiter des Journalismus werden. Das gefährdet ja auch die Arbeitsplätze der Festangestellten. Wenn ich jetzt mit einer Handvoll Festangestellten arbeite und den Rest erledigen Freie für 100 Euro am Tag, dann macht das die Branche kaputt. Es gibt ja bereits Verlage ohne Redakteure. Die haben dann nur noch ein oder zwei Ressortleiter.

iRights.info: Anhänger des Marktes würden darauf warten, bis es weniger Journalisten gibt. Dann würden die Honorare wieder steigen. Sehen Sie Anzeichen, dass der Beruf aufgrund der prekären Verhältnisse weniger Menschen anzieht?

Benno Stieber: Die Bewerberzahlen an den Journalistenschulen sprechen bisher eine andere Sprache. Der Reiz der Medienwirtschaft ist immer noch groß. Allerdings geben viele clevere Journalisten den Beruf später auf und wechseln in Unternehmen, wenn sie merken, dass es finanziell nicht weitergeht. So droht ein Brain-Drain des Journalismus. Auf der anderen Seite: Wer nur Karriere machen will, geht inzwischen sicherlich woanders hin. Ich habe den Eindruck, dass es jungen Journalisten, die jetzt in den Beruf kommen, wirklich um den Journalismus geht. Die reinen Karrieristen sind längst woanders. Dass wäre aber auch der einzige positive Nebeneffekt.

„Freie Journalisten sind gut ausgebildete Profis“

iRights.info: Das Klagen scheint seit Jahrzehnten zum Journalismus dazuzugehören. Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen beobachtet, dass Journalisten über die eigene Branche ständig im „Modus des Untergangs“ nachdenken und empfiehlt ihnen eine kognitive Verhaltenstherapie, um wieder Selbstbewusstsein und Kreativität zu entwickeln. Hat er Recht?

Benno Stieber: Es wird zu viel geklagt und man klagt sich auch teilweise die eigenen Produkte kaputt, auf die man eigentlich stolz sein könnte. Das gilt vor allem auch für die Verlage. Auch deshalb gibt es Freischreiber. Die Lage ist schlecht, aber wir lassen uns die Freude an unserem Beruf nicht nehmen. Freie Journalisten sind gut ausgebildete Profis, und vielleicht sind wir aufgrund der Flexibilität und der Kreativität, die notwendig ist, um in unserem Beruf zu bestehen, jetzt schon besser auf die noch kommenden Veränderungen vorbereitet, als mancher Festangestellte.


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