Die Pläne der Bundesregierung zur Reform des Urhebervertragsrechts haben vielfältige Kritik geerntet. Während Grüne und Linke ihre Positionen öffentlich in Stellung bringen, halten sich die Koalitionsfraktionen weitgehend bedeckt. Auch innerhalb der Koalition sind offenbar einzelne Reformpunkte weiterhin umstritten, so beim geplanten Rückruf- und Auskunftsrecht.
Wir fragten alle vier Bundestagsfraktionen an, uns zu den Eckpunkten der geplanten Gesetzesänderung ihre Standpunkte und Ziele mitzuteilen: Zum Auskunftsrecht und zum Rückrufrecht, zur Vergütung bei mehrfacher Nutzung, zu Pauschal- und Total-Buy-out-Verträgen, zur Regulierung von Vergütungsverhandlungen und zum Verbandsklagerecht.
Während die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und der Linken auf die Fragen umfassend und mit eigenen Regelungsansätzen antworteten, blieben CDU/CSU und besonders die SPD viele Antworten schuldig. Sie wollten, lassen die Koalitionsfraktionen wissen, den parlamentarischen Beratungen nicht vorgreifen, indem sie einzelne Änderungsvorschläge in die Öffentlichkeit tragen.
Die diplomatische Zurückhaltung lässt den Schluss zu, dass sich die Fraktionen der Regierungsparteien noch nicht einig sind, wie sie mit dem Regierungsentwurf umgehen wollen. Andernfalls hätte man die Positionen gefahrlos nach außen tragen können.
Die Spannungen sind insofern erklärlich, als sich der Regierungsentwurf an vielen Punkten vom Entwurf des SPD-geführten Justizministeriums unterscheidet. Es liegt für Beobachter nahe, dass darin die Handschrift des CDU-geführten Kulturstaatsministeriums, aber auch des SPD-geführten Wirtschaftsministeriums durchscheint. Zudem gibt es auch innerhalb der SPD-Fraktion offenbar unterschiedliche Auffassungen zu den geplanten Neuregelungen.
Christian Flisek, SPD-Fraktion
„Für uns steht bei der Reform des Urhebervertragsrechts außer Frage, dass Künstler und Kreative von ihrer Arbeit leben können müssen“, schickt Christian Flisek, Mitglied im Bundestagsausschuss für Recht und Verbraucherschutz voran und sagt weiter:
Das Recht am geistigen Eigentum muss auch in einer digitalen Welt durchsetzbar und damit eine angemessene Vergütung bei neuen Nutzungsformen auch realisierbar sein.
Diese zunächst unverbindliche Aussage wird dadurch akzentuiert, dass Flisek zugleich darauf verweist, wie wichtig Beratungen mit Urheberverbänden seien. „Mit Ihren Fragen werden wir uns in unserer Sitzung des ‚Arbeitskreis Urheberrecht‘ eingehend beschäftigen“. Hierzu werde der Arbeitskreis unter anderem Vertreter von Urhebern, Kreativen und Journalisten anhören. Um welche konkreten Regelungen es dabei gehe, deutet Flisek an:
Gerade auf die Vorschläge zum Rückrufrecht und zum Auskunftsanspruch wird ein besonderes Augenmerk gelegt, da uns diese besonders wichtig sind.
Anders gesagt: Es ist damit zu rechnen, dass sich Teile der SPD-Fraktion darum bemühen, die Regelungen des Regierungsentwurfs zum Rückruf- und Auskunftsrecht – die hinter dem ursprünglichen Entwurf zurückblieben – noch einmal aufzuschnüren.
Stefan Heck, CDU/CSU-Fraktion
Ob allerdings die CDU/CSU-Fraktion daran interessiert sein wird, an den Regierungsentwürfen zum Rückruf- und Auskunftsrecht noch einmal etwas zu ändern, ist zu bezweifeln. Aus den Antworten von Stefan Heck, ebenfalls Mitglied im Bundestagsausschuss für Recht und Verbraucherschutz, spricht eine gelassene Zufriedenheit mit dem Regierungsentwurf – was dafür spricht, dass die Unions-Fraktion in einigen wichtigen Punkten ihre Auffassung durchsetzen konnte.
Etwa beim geplanten Auskunftsanspruch für Urheber über Nutzungen und Erlöse mit ihren Werken, wie Heck schreibt:
Der ursprünglich vorgesehene Auskunftsanspruch hatte erhebliche Unterschiede der betroffenen Branchen unberücksichtigt gelassen. So erschien jener bei einem komplexen Werk wie dem Film nicht praxistauglich. Durch eine angemessene Einschränkung des Auskunftsanspruchs wird seine Durchsetzung erleichtert.
Auch bei den Vergütungen für mehrfache Nutzung und einer möglichen Regulierung von Pauschalverträgen steht Heck für seine Fraktion hinter dem Regierungsentwurf:
Die Berücksichtigung der Häufigkeit der Nutzung eines Werkes bei der Festlegung der Vergütung fördert den Grundsatz der angemessenen Vergütung. Gleichzeitig wird es jedoch weiterhin möglich sein, eine Pauschalvergütung zu vereinbaren. Eine Vergütungsvereinbarung, die sich in nicht wenigen Branchen bewährt hat.
Zudem begrüße es die Fraktion, „dass von einem Rückrufsrecht nach fünf Jahren Abstand genommen wurde“. Das Verhältnis zwischen Urhebern und Verlagen wäre andernfalls verschlechtert worden, so Heck. Seine Begründung:
Ein Verlag hätte befürchten müssen, dass sich seine Investitionen in die Entwicklung eines Werkes nicht amortisieren, wenn der Urheber die Rechte nach fünf Jahren einem anderen Verwerter übertragen würde. In Folge dessen bestand wiederum die Gefahr, dass ein Urheber geringere Erstvergütungen erhalten würde oder überhaupt keinen Verlag gefunden hätte, der bereit gewesen wäre, mit ihm zu arbeiten. Die Streichung des Rückrufsrechts und die Einführung eines Zweitverwertungsrechts des Urhebers ist daher der vorzugswürdige Weg zur Stärkung der Urheber.
Tabea Rößner, Grünen-Fraktion
In den Antworten von Tabea Rößner, Obfrau im Ausschuss für Kultur und Medien, wird deutlich, dass die Grünen in Teilen den Regierungsentwurf mittragen. Zugleich wollen sie aber abweichende, eigene Schwerpunkte setzen. Etwa darin, dass mehr und dauerhaftere gemeinsame Vergütungsregeln zustande kommen sollten.
Hierfür schlagen die Grünen weitergehende Regulierungen vor, etwa für Schiedsverfahren. Zudem setzen die Grünen darauf, dass ein gestärktes Verbandsklagerecht für Urheberverbände dabei helfe, dass gemeinsame Vergütungsregeln eingehalten werden. Diesem Ziel sollen auch verbindliche Schiedsverfahren dienen, so Rößner:
Wir fordern wir schon seit langem die Verbindlichkeit des Schiedsverfahrens. Dies hat im Übrigen die Enquetekommission ‚Internet und Digitale Gesellschaft‘ einstimmig, also fraktionsübergreifend, empfohlen. Daher ist nicht nachzuvollziehen, dass Bundesminister Maas diese Forderung weder im Referentenentwurf noch im Regierungsentwurf aufgenommen hat.
Bei anderen Kernpunkten wenden sich die Grünen gegen eine stärkere oder einheitliche Regulierung. Rößner zufolge folgt die Fraktion dem Grundsatz, dass ein allzu einheitlich gestricktes Urheberrecht nicht der Vielschichtigkeit unterschiedlicher Urheber gerecht werde. Daher will die Grünen-Fraktion vereinbarte Pauschalvergütungen nicht generell verbieten:
Einigen Urhebergruppen (und auch Verwertern) kommt eine Pauschalvergütung entgegen. Gerade bei den heutigen diversen Verwertungsebenen, die teilweise auch nur Kleinstbeträge einbringen, kann eine Pauschalierung sinnvoll sein, unter anderem auch zur Vermeidung von Kosten. Natürlich nur, solange diese insgesamt angemessen ist. Ist sie es nicht, besteht auch dann ein Anspruch auf Anpassung beziehungsweise bei einem ‚Bestseller‘ auf Nachvergütung.
Laut Rößner schließen sich die Grünen bei der Mehrfachvergütung im Grunde dem Regierungsentwurf an:
Dass für die Vergütung von Mehrfachnutzungen nun die Häufigkeit der Nutzung eine Rolle spielen soll, ist an sich richtig und letztendlich auch gar nicht anders möglich, wenn man die Angemessenheit der Vergütung anhand verschiedener Parameter ermittelt.
Das geplante Auskunftsrecht begrüßen die Grünen ausdrücklich. Dennoch müsse „eine Balance zwischen Aufwand und Nutzen“ gefunden werden, so Rößner:
Die Bearbeitung massenhafter Auskunftsanfragen bedeutet unzweifelhaft, insbesondere für kleine Verwerter, einen großen administrativen Aufwand, verursacht also Kosten. Unser Entwurf sieht aber keine Ausnahmen vor, im Gegensatz zum Regierungsentwurf. Dort gelten Ausnahmen vom Auskunftsrecht für ‚unverhältnismäßige Inanspruchnahmen des Auskunftsrechts‘, aber was bedeutet das? Solche unbestimmten Rechtsbegriffe führen zu Rechtsunsicherheit.
Gleichwohl räumt Rößner ein, dass das Auskunftsrecht auf den direkten Vertragspartner der Urheber begrenzt sein sollte.
Das geplante Rückrufrecht halten die Grünen für unnötig. Es werde den meisten, vor allem unbekannteren Urhebern und der kulturellen Vielfalt schaden. Den Verwertern gehe Planungssicherheit verloren, sodass sie nur niedrigere Vergütungen anbieten könnten. Einige Märkte benötigen nach Ansicht der Grünen zudem längere Verwertungszeiträume als fünf Jahre, so die Buchbranche, Musik und Film. Rößner:
Wir setzen auf das bestehende Rückrufrecht wegen Nichtausübung. Zudem auf die Angemessenheit der Vergütung und die Durchsetzung dieses Anspruchs gegenüber Verwertern sowie auf effektive Schiedsverfahren.
Insgesamt orientieren sich die Grünen mit ihren Vorschlägen an einem Antrag, den sie bereits 2013 vorlegten und voraussichtlich in überarbeiteter Form ins Parlament einbringen.
Halina Wawzyniak, Linksfraktion
Aus den Antworten von Halina Wawzyniak, ebenfalls Mitglied im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, sind kaum Zugeständnisse an Verwerter oder Marktsituationen erkennbar. So will die Linke Total-Buy-out-Verträge weitgehend abschaffen und plädiert ausdrücklich dafür, dass jede Nutzung gesondert vergütet werden müsse.
Ebenso kritisiert Wawzyniak, dass im Regierungsentwurf beim Auskunftsrecht eine Ausnahme für Urheber mit „untergeordnetem Beitrag“ vorgesehen ist:
Welche Ausnahmen damit gemeint sind, hat Bundesjustizminister Heiko Maas bereits im Bundestag deutlich gemacht: Kleinstvergütungen in Höhe von 100 Euro. Unter anderem in der Zeitungsbranche sind solche Vergütungen aber gang und gäbe. Das hieße, dass ein großer Teil der Journalistinnen und Journalisten von dem Auskunfstrecht gar keinen Gebrauch machen könnte.
Weiter wendet sich Wawzyniak dagegen, das Auskunftsrecht auf die Vertragspartner zu beschränken. Oft schalteten sich Agenturen oder andere Unternehmen zwischen beide:
Eine Einschränkung des Auskunftsrechts finden wir fatal, zumal sich die Einschränkungen sehr weit dehnen lassen und somit ganze Branchen ausgeschlossen wären.
Die Linken-Fraktion plädiert weiterhin für ein Rückrufrecht ohne weitere Bedingungen. Anders lasse sich nicht vermeiden, dass von Urhebern erworbene Rechte dauerhaft nicht genutzt würden.
Das geplante Verbandsklagerecht unterstützt die Linken-Fraktion ausdrücklich. Nur so könnten Urheber ohne Furcht gegen Verwerter vorgehen, die Vergütungsregeln nicht einhalten. Wawzyniak:
Das kann aber nur funktionieren, wenn Schlichtungsergebnisse auch verbindlich sind. Leider bleiben sie nach dem Regierungsentwurf weiterhin unverbindlich, so dass wieder Möglichkeiten gegeben sind, die gemeinsamen Vergütungsregeln zu umgehen.
Nach bisherigen Regelungen gelte das Widerrufsrecht von Urhebern gegen eine neue Nutzungsart nur drei Monate, nachdem der Urheber informiert wurde. Diese Frist geht der Linken nicht weit genug, so Wawzyniak:
Wir schlagen vor, dass das Widerrufsrecht erst erlischt, wenn es eine Einigung über eine Vergütung der neuen Nutzungsart gibt. Dies kann sowohl individuell als auch im Rahmen von Vergütungsregeln geschehen. Darüber hinaus soll dass das Nutzungsrecht an den Urheber zurückgehen, wenn innerhalb von sechs Monaten keine Einigung über die neue Nutzungsart zustande kommt.
Die Linken-Fraktion hat einen Änderungsantrag zum Regierungsentwurf angekündigt.
Wie geht es weiter mit dem Gesetzentwurf?
Der Entwurf, den die Bundesregierung am 16. März vorlegte, liegt zurzeit dem Bundesrat vor. Dann geht er in den Bundestag, wo er in den kommenden Wochen weiter beraten wird. In der Folge werden weitere Änderungsvorschläge bearbeitet, Änderungsanträge formuliert, beraten und abgestimmt.
In den kommenden Wochen wird sich damit klarer abzeichnen, welche Gestalt die geplante Reform annehmen wird. Die Bundesregierung, so ist zu hören, will die Beratungen in den Gremien bis zur parlamentarischen Sommerpause abschließen. Dann könnten die Lesungen im Herbst folgen und das Gesetz verabschiedet werden.
Dokumentation der Antworten
Die Antworten aus den Fraktionen im Wortlaut finden Sie hier (PDF).
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Offenlegungen: Der Autor ist Mitglied im Vorstand des Vereins Freischreiber. iRights e.V. erhält Zuwendungen des Justiz- und Verbraucherschutzministeriums.